Die erfüllenden Herausforderungen der Notfallmedizin – Einblicke einer Notärztin

Dr. Hilary teilt mit uns ihre Einblicke aus ihrer Karriere als leitende Notfallmedizinerin mit dem Spezialgebiet Altersmedizin. Sie setzt sich mit großer Leidenschaft für ihre älteren Patient:innen ein – und empfindet deren Betreuung als besonders erfüllend.

Ich arbeite als leitende Assistenzärztin in der Notfallmedizin in einer häufig überwältigend beschäftigten Abteilung eines großen Krankenhauses in Dublin. Unser Patient:innenkollektiv gehört zu den ältesten in ganz Irland – der Anteil von Pflegeheimbewohner:innen gehört zu den höchsten pro Kopf im Land. Mein Spezialgebiet innerhalb der Notfallmedizin ist die Versorgung älterer Menschen, und obwohl das hohe Alter und die damit verbundenen komplexen Versorgungsbedürfnisse viele klinische Herausforderungen mit sich bringen, sind es genau diese Patient:innen, deren Betreuung ich als besonders erfüllend empfinde.

Ganz ehrlich: Wenn ich ausschließlich von Menschen in ihren 80ern oder 90ern umgeben wäre, wäre ich vermutlich eine durchgehend glückliche Frau. Unsere ältere Generation wird in Medien und Öffentlichkeit leider oft infantilisiert – dabei treffe ich täglich 20 oder mehr Menschen, geboren in den 1920er-, 30er- oder 40er-Jahren, und jeden Tag erstaunen sie mich aufs Neue mit ihrer Tiefe, ihrer mitfühlenden Sicht auf die Welt, ihrer Freundlichkeit und Dankbarkeit. Vielleicht ist es einer der größten Fehler, die wir als Gesellschaft machen können, ältere Menschen zu unterschätzen – ihre faszinierenden Lebensgeschichten zu vergessen und all das, was wir von ihnen lernen könnten.

Selbst in einem oft chaotischen Umfeld wie der Notaufnahme, mit all ihrer Hektik und Dynamik, sind es die persönlichen Momente mit älteren Patient:innen, die mich zum Lächeln bringen – und meine eigenen Sorgen in ein gesundes Verhältnis setzen.

Ich denke zum Beispiel an die über 90-jährige Nonne, die ich kürzlich betreute. Sie hatte ihr Leben der katholischen Kirche gewidmet – und ihre größte Sorge schien zu sein, mir einen „anständigen Mann“ aufzuspüren: „Wir müssen Ihnen den Mann verschaffen, den Sie verdienen“, sagte sie, „darüber möchte ich heute reden.“
Oder der über 80-jährige Mann aus dem Westen Irlands, der zunächst verwirrt wirkte – bis ich merkte, dass er ein Gaelgoir war. Sein kognitiver Abbau hatte dazu geführt, dass er sich nur noch in seiner Muttersprache Irisch verständigen konnte. Wie sehr es ihn freute, in seiner Sprache angesprochen zu werden! Und wie sehr es mich freute, ihm so helfen zu können.

Natürlich sind Notaufnahmen extrem stressige Orte – für Patient:innen wie auch für Angehörige. Doch für ältere Menschen, die an gewohnte Abläufe und vertraute Umgebungen gewöhnt sind und womöglich unter Demenz oder anderen kognitiven Einschränkungen leiden, verstärken sich Desorientierung und Angst oft enorm.
Was mich persönlich am meisten belastet, ist, wie sich Überfüllung und Bettknappheit in Krankenhäusern gerade auf unsere älteren, verletzlicheren Patient:innen auswirken. Unsere Notaufnahmen werden zu Stationen umfunktioniert; jede freie Fläche ist mit Patient:innen belegt. Die fehlende Privatsphäre, der Lärm, das grelle künstliche Licht, das ständige Wechseln des Personals, die Abwesenheit von vertrauten Pflegepersonen oder eingeschränkte Besuchsmöglichkeiten – all das kann zutiefst belastend sein.

Wir geben unser Bestes, um diese Stressfaktoren zu minimieren. Dafür haben wir ein sehr engagiertes, interdisziplinäres Team. Und doch beschäftigt es mich jeden Tag. Ich weiß, dass ich mein Bestes gebe, um akute medizinische Probleme zu behandeln – aber es ist schwer, mit dem persönlichen Ausnahmezustand umzugehen, in den viele dadurch geraten.

Ich hoffe, dass sowohl Patient:innen und Angehörige als auch die breite Öffentlichkeit – die tagtäglich mit Schlagzeilen über Herausforderungen im öffentlichen Gesundheitswesen konfrontiert wird – wissen, dass auch wir als medizinisches Personal unter diesen Bedingungen leiden. Es gibt auch gute Tage in der Notaufnahme: kurze Wartezeiten, schnelle stationäre Aufnahmen, ausreichend Personal. Aber diese Tage machen die schwierigen nicht ungeschehen. Auch für uns sind sie herzzerreißend.

Eine kleine Art, wie ich über die medizinische Versorgung hinaus helfen kann, ist meine Wahl der Kleidung: Ich trage in der Notaufnahme bunte OP-Kleidung, weil ich finde, dass Patient:innen mich so leichter erkennen können. In der Regel ist eine Notaufnahme voll mit Ärzt:innen, Pfleger:innen und Assistent:innen – oft alle in ähnlicher OP-Kleidung. Meine pinken, gelben oder lilafarbenen OP-Kleidungsteile machen mich für jede:n Patient:in sichtbar – nicht nur für ältere.
Es gibt zahlreiche Hinweise darauf, dass warme, leuchtende Farben besonders Menschen mit kognitiven Einschränkungen helfen. Und ich persönlich freue mich jedes Mal über das Lächeln der Wiedererkennung, wenn ein Patient oder eine Patientin mich – inmitten eines für sie fremden Umfelds – an meiner Kleidung erkennt.

Ich glaube, dass wir uns in der Medizin zwangsläufig auf große Erfolge und tragische Verluste konzentrieren. Doch was mich bei der Arbeit antreibt, sind die kleinen Siege, die echten, intimen Begegnungen. Gerade ältere Menschen geben mir so viel Wärme und Zuneigung, dass ich manchmal glaube, ich bekomme mehr von ihnen, als sie von mir.

Als Ärztin bin ich überzeugt: Wie du deine verletzlichsten Patient:innen fühlen lässt, sagt mehr über dich als jede medizinische Fähigkeit. Geduld und Sanftheit – besonders im Umgang mit älteren Menschen – sind Eigenschaften, an denen sich wahre Empathie messen lässt.

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